Umbenennung von Straßennamen

In der Stadtratssitzung am 10. März 2022 haben wir die finale Entscheidung für die Umbenennung von 5 Würzburger Straßennamen getroffen. Dabei handelt es sich um diese Straßen:

  • Heiner-Dikreiter-Weg
  • Nikolaus-Fey-Straße
  • Schadewitzstraße
  • Hermann-Zilcher-Straße
  • Karl-Ritter-von-Frisch-Weg

2 weitere Straßen sollen kontextualisiert werden:

  • Armin-Knab-Straße
  • Peter-Schnneider-Straße

Dieser Beschluss hat eine mehrjährige Vorgeschichte: im Jahr 2015 beschloss der damalige Stadtrat, eine Kommission einzusetzen, um Straßen zu untersuchen, deren Namenspat:innen während der NS-Zeit gelebt haben und “von denen anzunehmen ist, dass sie sich in dieser Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen”. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellte die Kommission uns im Dezember 2020 in einem Abschlussbericht vor. Bei 9 Namenspaten empfahl die Kommission eine Umbenennung oder Kontextualisierung, weil sich anhand historischer Quellen ergab, dass die Verfehlungen dieser Personen in der NS-Zeit so gravierend waren. Dabei handelt es sich um: Heiner Dikreiter, Nikolaus Fey, Carl Schadewitz, Hermann Zilcher, Karl Ritter von Frisch, Armin Knab, Peter Schneider, Richard Strauss, Michael Kardinal Faulhaber.

In der Folge diskutierten wir im Stadtrat intensiv, welche Konsequenzen wir aus diesen Empfehlungen ziehen wollen. Für eine umfassende Entscheidungsbildung fand u.a. auch eine Informationsveranstaltung für die betroffenen Anwohner:innen, Nachkommen und die interessierte Öffentlichkeit statt.

Der Kulturausschuss als Fachgremium traf am 16. Februar 2022 die Entscheidung, Heiner-Dikreiter-Weg, Nikolaus-Fey-Straße, Schadewitzstraße, Karl-Ritter-von-Frisch-Weg und Hermann-Zilcher-Straße seien umzubenennen; Armin-Knab-Straße und Peter-Schneider-Straße zu kontextualisieren. Meinem kurzfristigen Antrag, auch die Richard-Strauss-Straße umzubenennen, ist der Ausschuss ebenfalls gefolgt – allerdings haben wir uns im Stadtrat darauf verständigt, Richard Strauss vorerst zurückzustellen, um weiteres historisches Material sichten zu können.

Kontroverse Diskussion

Seit die Kommission ihren Abschlussbericht vorgestellt hat, wurde deutlich, dass vor allem die Umbenennung der Hermann-Zilcher-Straße kontrovers diskutiert wird. Zilchers Nachkommen, sowie die Hermann-Zilcher-Gesellschaft veröffentlichten mehrere Texte, um Zilchers Handeln im Nationalsozialismus zu rechtfertigen bzw. anders darzustellen.

Die Kommission sieht Hermann Zilcher als Profiteur der NS-Herrschaft, der sicher dieser als willfähriger Unterstützer und Multiplikator der NS-Ideologie mit musikalischen Mitteln andiente und sie auch durch seine Tätigkeit als NSDAP-Ratsherr im Würzburger Stadtrat unterstützte, wofür ihm wiederum Vergünstigungen und Vorteil zuteil wurden.

Darüber hinaus unterstützte er den Repressionsapparat des NS-Unrechtssystems durch seine Denunziation Eugen Vinnais gegenüber der Gestapo aktiv und aus eigenem Antrieb. Die von Zilcher gegen Vinnai erhobenen Anschuldigungen waren für diesen mit unabsehbaren, potentiell lebensgefährlichen Folgen verbunden und trugen mit hoher Wahrscheinlichkeit zur “Schutzhaft” Vinnais bei. Er nahm somit die Schädigung einer ihm bekannten, eindeutig benennbaren Person durch ein Terrorinstrument des Regimes bewusst in Kauf.

Abschlussbericht, S. 15-16.

An dieser Einschätzung konnten auch die Einwendungen der Angehörigen nichts ändern, sondern wurden durch weitere geschichtswissenschaftliche Untersuchungen bestätigt.

Meine Haltung

Auch ich persönlich bin der Auffassung, dass Zilchers Handeln vor und während des Nationalsozialismus eindeutig für eine Straßenumbenennung sprechen: Zilcher war bereits vor 1933 im deutsch-völkischen Block aktiv, äußerte sich in der Weimarer Zeit nationalistisch und veröffentlichte Artikel in einem rechtskonservativen Hetzblatt. Unter dem NS-Regime selbst nutzte er die Strukturen von Staat und Partei für seine Karriere. Von Gauleiter Hellmuth wurde Zilcher 1939 in den Stadtrat von Würzburg berufen. Dieses Gremium war gleichgeschaltet und bestand nur aus Regime-treuen Ratsherren. Stadträte, die die NS-Ideologie nicht teilten, wurden anfangs zum Rücktritt gezwungen oder direkt in Schutzhaft genommen. Später, auch in Zilchers Amtszeit, bestimmte ausschließlich die NSDAP, wer dem Stadtrat angehören dürfe. Als Ratsherr hatte Hermann Zilcher Kenntnis davon, dass jüdischer Grundbesitz in Würzburg enteignet und dieser unrechtmäßige Besitz von der Stadt angekauft wurde.

Auch seine Denunziation eines Bekannten der Familie, Eugen Vinnai, bei der Gestapo wiegt schwer. Denn damit nahm er schwerwiegende Konsequenzen für diesen Mann in Kauf. Als extralegal agierende, verbrecherische Organisation hatte die Gestapo weitreichende Befugnisse, um brutal gegen Menschen vorzugehen.

Ich meine, dass es damit mehr als genug Gründe für die Umbenennung der Hermann-Zilcher-Straße gibt und bin froh, dass eine deutliche Mehrheit von 29 zu 19 Stadtratsmitgliedern dies genauso sieht!

Auf die Anwohner:innen der betroffenen Straßen kommen keine Kosten zu. Wir haben beschlossen, dass die Stadt sämtliche Gebühren übernimmt und außerdem die entsprechenden Stellen über die Umbenennung informiert.

Ausblick

Der Beschluss zur Umbenennung war nur der erste Schritt. Nun müssen noch neue Straßennamen gefunden werden. Dazu haben wir uns im Stadtrat darauf geeinigt, ausschließlich weibliche Namenspatinnen festzulegen. Idealerweise sind die neuen Patinnen außerdem Gegnerinnen oder Opfer des NS-Regimes.

Im Juni 2022 gab es ein Expert:innen-Hearing zu Kardinal Faulhaber. Mit Richard Strauss beschäftigt sich die Straßennamenkommission erneut, sodass wir im Laufe des Jahres eine Entscheidung treffen können.

Es ist wichtig und richtig, dass wir uns so intensiv mit unseren Straßennamen beschäftigen. Klar ist aber auch, dass noch viel zu tun ist.


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